Von Bedürfnissen und Strategien: Die psychologischen Blockaden und Wege aus dieser Blockade
Die globalen Anstrengungen im Klimaschutz und in vielen anderen gesellschaftlichen Transformationsprozessen scheitern oft nicht am fehlenden Wissen oder mangelnder Technologie, sondern an tief verwurzelten psychologischen Blockaden. Diese sind häufig im Spannungsfeld zwischen grundlegenden menschlichen Bedürfnissen und den starren Strategien zu ihrer Erfüllung zu finden.
1. Die Bedrohung durch die Lösung: Psychologische Abwehr (nach Maslow)
Um psychologische Blockaden zu verstehen, ist es entscheidend zu erkennen, dass menschliche Reaktionen primär von der Erfüllung grundlegender Bedürfnisse getrieben werden. Abraham Maslows Hierarchie der Bedürfnisse bietet hierfür ein grundlegendes Modell. Die entscheidende Blockade entsteht oft dann, wenn selbst vermeintlich notwendige Klimaschutzmaßnahmen als direkte Bedrohung dieser fundamentalen Bedürfnisse wahrgenommen werden:
- Physiologische Bedürfnisse (Stufe 1): Obwohl es um das langfristige Überleben geht, können Maßnahmen wie steigende Energiepreise oder Einschränkungen der Mobilität als direkter Angriff auf die ökonomische Basis und damit auf die Fähigkeit zur Sicherung grundlegender Versorgung erlebt werden.
- Sicherheitsbedürfnisse (Stufe 2): Der Wunsch nach Schutz, Ordnung, Stabilität und Freiheit von Angst wird massiv getriggert. Politische Unsicherheit durch neue Regeln, Angst vor Statusverlust oder die Furcht vor Einschränkungen des persönlichen Lebensstils können als direkte Bedrohung der Sicherheit empfunden werden. Trauma (wie von Christoph Göttl beschrieben) bedroht diese Bedürfnisse fundamental; wenn die Welt als unsicher erlebt wird, klammern sich Menschen an bekannte – auch dysfunktionale – Skripte, weil diese vermeintlich Sicherheit bieten und die Amygdala auf Abwehr schaltet.
- Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse (Stufe 3): Maßnahmen, die soziale Gruppen spalten (z.B. „Klimakleber“ vs. „Autofahrer“), können das Bedürfnis nach Zugehörigkeit frustrieren. Menschen klammern sich an ihre Identität und ihre soziale Gruppe, was Widerstand gegen das „Andere“ oder „Neue“ verstärkt.
- Wertschätzungsbedürfnisse (Stufe 4): Wenn Individuen das Gefühl haben, dass ihr Lebensstil, ihre Arbeit oder ihre Werte durch Klimaschutzmaßnahmen abgewertet werden, kann dies zu tiefen Blockaden und Ablehnung führen.
Solange diese grundlegenden Bedürfnisse durch die Art der Lösungsansätze als bedroht wahrgenommen werden, ist es extrem schwierig, auf höherer Ebene rationale oder kooperative Strategien umzusetzen. Die psychische Abwehr verhindert die kognitive Offenheit für neue „Skripte“.
Verstärkung durch kognitive Verzerrungen: Der Halo-Effekt
Diese Bedrohungsreaktionen auf die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse werden oft noch durch kognitive Verzerrungen verstärkt. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Halo-Effekt. Dieser psychologische Wahrnehmungsfehler führt dazu, dass ein einzelnes, oft oberflächliches Merkmal einer Person oder Gruppe (z.B. Attraktivität, Reichtum, der Besitz bestimmter Güter oder die Zugehörigkeit zu einer „erfolgreichen“ Gruppe) andere, unabhängige Eigenschaften oder Fähigkeiten „überstrahlt“. Im Kontext unserer Thematik kann dies bedeuten:
- „Luxus als Proxy“: Wenn der Erfolg bei der Sicherung physiologischer Bedürfnisse in Überfluss und Luxus mündet, kann dieser materielle Wohlstand einen „Halo“ erzeugen, der fälschlicherweise Kompetenz, moralische Überlegenheit oder sogar ein Recht auf Dominanz suggeriert. Der bloße Besitz von Statussymbolen kann fälschlicherweise das Gefühl vermitteln, die Bedürfnisse nach Wertschätzung und Anerkennung seien erfüllt – und zwar auf eine Weise, die keine weitere Hinterfragung oder Veränderung zulässt.
- Verzerrte Wertschätzung: Personen oder Gruppen, die den vorherrschenden Skripten des Erfolgs (oft definiert durch materiellen Wohlstand und Konsum) entsprechen, werden durch den Halo-Effekt als „gut“, „intelligent“ oder „kompetent“ wahrgenommen, selbst wenn ihre Handlungen (z.B. im Klimaschutz) ineffektiv oder schädlich sind. Umgekehrt können jene, die sich gegen diese Skripte stellen oder Einschränkungen fordern, durch einen negativen „Horn-Effekt“ als „moralisch überlegen“, „realitätsfern“ oder gar „gefährlich“ wahrgenommen und abgewertet werden.
Der Halo-Effekt trägt somit dazu bei, die psychologischen Blockaden zu verfestigen, da er eine verzerrte Wahrnehmung von Erfolg, Status und den vermeintlichen Wegen zur Bedürfniserfüllung schafft, die einer kritischen Reflexion der „Skripte“ im Wege steht.
Die soziologische Dimension: Pierre Bourdieus Habitus
Diese psychologischen Dynamiken werden durch soziale und kulturelle Strukturen verstärkt, wie Pierre Bourdieu mit seinen Konzepten des Habitus und der verschiedenen Kapitalformen aufzeigt. Der Habitus prägt als verinnerlichtes System von Dispositionen, welche Bedürfnisse wie wahrgenommen und welche Strategien zu ihrer Befriedigung als legitim und erfolgreich gelten. Der Erwerb und die Demonstration von (ökonomischem, kulturellem oder sozialem) Kapital, oft durch Konsum und Statussymbole, wird so zu einer primären Strategie zur Erlangung von symbolischem Kapital (Prestige und Anerkennung). Die Abkehr von diesen etablierten Strategien wird dann nicht nur als persönliche Einschränkung, sondern als Bedrohung des eigenen Status und der sozialen Anerkennung wahrgenommen, was eine tiefgreifende psychologische und soziale Blockade darstellt.
Mikrosoziologische Ergänzung: „Status-Spiele“
Diese makrosoziologischen Mechanismen manifestieren sich auf der zwischenmenschlichen Ebene in dem, was als „Status-Spiele“ bezeichnet werden kann. Dieses Konzept ist hochrelevant für unser Thema, da es die unbewussten „Skripte“ der sozialen Hierarchie und Dominanz beleuchtet, die tief in menschlichen Interaktionen verwurzelt sind. Es zeigt, wie die Angst vor Statusverlust (eine Bedrohung der Maslow’schen Wertschätzungsbedürfnisse) zu bestimmten Strategien führt und wie sich dies als psychologische Blockade manifestieren kann, besonders wenn es um Veränderungen geht, die als Statusbedrohung wahrgenommen werden. Diese mikrosoziologische Perspektive ergänzt Bourdieus strukturelle Analyse um die konkrete interaktive Ebene, auf der sich die Blockaden täglich vollziehen.
2. Die Verwechslung von Bedürfnissen und Strategien: Wenn Luxus zur Falle wird (nach Rosenberg)
Nachdem wir die Entstehung psychologischer Blockaden durch bedrohte Bedürfnisse und ihre Verstärkung durch kognitive und soziale Mechanismen betrachtet haben, wenden wir uns nun der Frage zu, wie diese Blockaden aufrechterhalten werden. Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GfK), hat eine entscheidende Unterscheidung getroffen: Der Unterschied zwischen universellen, menschlichen Bedürfnissen (die jeder Mensch teilt, wie Sicherheit, Verbindung, Autonomie, Sinn, Wertschätzung, Mitwirkung) und den Strategien, die wir wählen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Psychologische Blockaden entstehen oft, wenn wir diese beiden Ebenen verwechseln und uns in starren, oft dysfunktionalen Strategien verfangen.
In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg ist es wichtig, zwischen der Bedürfnisebene und der Strategieebene zu unterscheiden. Dieser Unterschied hilft dabei, Konflikte besser zu verstehen und konstruktiv zu lösen.
Bedürfnisebene
Die Bedürfnisebene bezieht sich auf die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, die universell und für alle Menschen gültig sind. Diese Bedürfnisse sind unabhängig von speziellen Situationen oder Lösungen und betreffen grundlegende menschliche Erfahrungen wie Sicherheit, Zugehörigkeit, Wertschätzung, Liebe, Autonomie, etc.
Merkmale:
- Bedürfnisse sind universell und unabhängig von spezifischen Personen, Orten oder Umständen.
- Sie sind die grundlegenden Motivationen hinter unseren Handlungen und Gefühlen.
- Bedürfnisse sind wertfrei und führen zu positiven Lösungen, wenn sie klar identifiziert und anerkannt werden.
Strategieebene
Die Strategieebene bezieht sich auf die spezifischen Wege, Mittel und Maßnahmen, die wir wählen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Strategien sind variabel und oft auf konkrete Situationen oder Personen bezogen.
Beispiele für Strategien:
- Jemanden bitten, das Geschirr zu spülen, um das Bedürfnis nach Ordnung zu erfüllen.
- Ins Kino gehen, um das Bedürfnis nach Unterhaltung und Entspannung zu erfüllen.
- Ein Gespräch suchen, um das Bedürfnis nach Verbindung und Verständnis zu erfüllen.
Merkmale:
- Strategien sind spezifisch und können unterschiedlich sein, um dasselbe Bedürfnis zu erfüllen.
- Sie können zu Konflikten führen, wenn verschiedene Personen unterschiedliche Strategien bevorzugen oder wenn Strategien als unvereinbar wahrgenommen werden.
- Strategien sind verhandelbar und können flexibel angepasst werden, um die Bedürfnisse aller Beteiligten zu berücksichtigen.
Die Verfestigung dysfunktionaler Strategien
Ein zentrales Problem ist, dass bestimmte Strategien so tief verinnerlicht werden – oft durch kulturelle Skripte und gesellschaftliche Konditionierung –, dass sie selbst als unantastbare Bedürfnisse wahrgenommen werden. Dies knüpft direkt an die zuvor beschriebenen Mechanismen des Habitus und der Status-Spiele an: Was als gesellschaftlich erfolgreiche Strategie etabliert ist, wird zum scheinbar unveränderlichen Bedürfnis. Wir hören dann Aussagen wie „Ich brauche mein Auto“ (Strategie für Mobilität/Autonomie/Status) oder „Wir müssen weiter wachsen“ (Strategie für Sicherheit/Wohlstand), die als absolute Wahrheiten verteidigt werden, obwohl die zugrundeliegenden Bedürfnisse auf vielfältigere und möglicherweise nachhaltigere Weise erfüllt werden könnten.
Luxus als Proxy für tiefe Bedürfnisse
Ein besonders prägnantes Phänomen in diesem Kontext ist, wenn die Strategie zur Sicherung physiologischer Bedürfnisse in Überfluss und Luxus ausartet und selbst zum Proxy für höhere psychologische Bedürfnisse wird. Hier zeigt sich die Verbindung zu dem bereits beschriebenen Halo-Effekt besonders deutlich: Beispielsweise kann ein ständiges Streben nach immer mehr materiellem Besitz, Konsum oder Komfort (eine Strategie) fälschlicherweise das Bedürfnis nach Sicherheit, Anerkennung, Zugehörigkeit oder sogar Selbstverwirklichung stillen sollen. Der Besitz des größeren Autos, des teureren Hauses oder der exotischen Reise wird dann zur scheinbaren Erfüllung von Status- oder Sicherheitsbedürfnissen, anstatt diese authentisch durch zwischenmenschliche Beziehungen, persönliches Wachstum oder gesellschaftliches Engagement zu suchen. Diese Proxy-Strategien können durch den bereits erwähnten Halo-Effekt noch verstärkt werden, da äußerer Reichtum fälschlicherweise mit innerem Wert gleichgesetzt wird.
Die Falle der scheinbaren Erfüllung – und ihre globale Konsequenz
Dieser „Luxus als Proxy“ kann ein trügerisches Gefühl von Sicherheit und Erfüllung vermitteln, obwohl die wahren, tieferen Bedürfnisse unerkannt oder unterdrückt bleiben. Die unerbittliche Jagd nach dem Proxy wird endlos und lenkt von den eigentlichen Problemen ab, da das zugrundeliegende Bedürfnis durch die Strategie niemals wirklich gesättigt werden kann. Dies ist ein Kern der psychologischen Blockade: Wir jagen einer Illusion hinterher, während die eigentliche Quelle des Unbehagens unerkannt bleibt.
Im Kontext der globalen Energiewende zeigt sich dies dramatisch: Die Strategie, fossile Brennstoffe durch „grüne“ Technologien zu ersetzen, ist zwar intendiert, ein Bedürfnis nach Klimastabilität zu erfüllen. Doch wenn diese Strategie einen unersättlichen Abbau von Ressourcen wie Lithium und seltenen Erden, aber auch Allerwelts-Metallen wie Kupfer, Eisen und Zink für die massive Produktion von Batterien, Windturbinen und Solarpaneelen erfordert, ohne die zugrundeliegenden Konsum- und Wachstums-Skripte zu hinterfragen, geraten wir in eine neue Falle. Die rein technologische Lösung wird selbst zum Proxy für eine tiefere Transformation. Die Messung des Erfolgs in Gigawatt installierter Kapazität oder der Anzahl von E-Autos kann dann zu einem Ziel werden, das das eigentliche Ziel – eine nachhaltige und gerechte Welt – pervertiert. Dies ist ein direktes Beispiel für Goodharts Gesetz: „Wenn ein Maßstab zu einem Ziel wird, hört er auf, ein guter Maßstab zu sein.“ Wir verschieben das Problem, statt die psychologische Wurzel der unersättlichen Strategien zu adressieren.
Der Weg zur Lösung: Beziehungsebene vs. Lösungsbitte
Die Gewaltfreie Kommunikation unterscheidet zwischen Beziehungsbitten und Lösungsbitten, wobei die Beziehung immer Vorrang hat. Diese Unterscheidung wird zur Brücke für den Ausstieg aus den beschriebenen Blockaden: Ist die Beziehungsebene angespannt, müssen die Probleme vorrangig gelöst werden, weil sonst Vertrauen, Offenheit und Wertschätzung leiden können. Erst wenn die Beziehungsebene entspannt funktioniert, kann auf der Lösungsebene gearbeitet werden. Diese Unterscheidung ist entscheidend, um den Weg aus Blockaden zu finden:
- Beziehungsbitten zielen darauf ab, die Qualität der Beziehung zu verbessern und das zwischenmenschliche Verständnis zu vertiefen. Sie fördern Empathie, Verbindung und emotionale Nähe.
- Lösungsbitten sind spezifische, konkrete Anfragen, die darauf abzielen, ein bestimmtes Problem zu lösen oder eine spezifische Handlung durchzuführen.
Im Kontext der psychologischen Blockaden bedeutet dies, dass wir uns zunächst auf die Wiederherstellung oder Stärkung der Beziehungsebene konzentrieren müssen – sei es zwischen Individuen, Gruppen oder sogar im Verhältnis zur Natur. Das Bedrohungsgefühl muss minimiert, Vertrauen aufgebaut und Empathie gefördert werden. Erst wenn diese Grundlage geschaffen ist, kann effektiv an Lösungsstrategien gearbeitet werden, die nicht als Angriff, sondern als gemeinsame Bemühung zur Bedürfniserfüllung verstanden werden.
3. Wege aus der Blockade: Lernfähigkeit in nicht-bedrohlicher Umgebung (nach Rogers)
Diese Erkenntnis der Priorität der Beziehungsebene führt uns direkt zu Carl Rogers‘ fundamentalen Einsichten über die Bedingungen für menschliches Wachstum und Lernen. Der Weg aus den psychologischen Blockaden erfordert eine Umgebung, in der sich Individuen sicher fühlen, ihre innersten Bedürfnisse und die oft dysfunktionalen Skripte, die sie bisher genutzt haben, zu erkunden und zu ändern. Carl Rogers‘ Prinzipien der personenzentrierten Therapie bieten hier einen entscheidenden Rahmen, da sie darauf abzielen, das Bedrohungsgefühl zu minimieren:
- Bedingungslose positive Wertschätzung: Die Akzeptanz einer Person, unabhängig von ihren Handlungen oder Fehlern, schafft eine nicht-bedrohliche Basis. Dies ermöglicht es, alte Skripte zu hinterfragen, ohne Angst vor Verurteilung, Ablehnung oder Bestrafung zu haben.
- Empathie: Das tiefe, verstehende Zuhören und Einfühlen in die Perspektive des anderen ist essenziell. Es hilft, die vermeintlich „irrationalen“ Strategien anderer als Ausdruck ihrer unerfüllten Bedürfnisse zu verstehen, was die Grundlage für gemeinsame Lösungen schafft.
- Kongruenz (Echtheit): Die Authentizität des Kommunizierenden fördert Vertrauen und eine offene Atmosphäre, in der Transformation stattfinden kann.
Verbindung zu traumainformierten Ansätzen
Christoph Göttls Ansatz, problematisches Verhalten nicht zu bestrafen, sondern es als „pathologischen Versuch zur Krisenstabilisierung“ zu verstehen und stattdessen das Bindungssystem zu aktivieren, spiegelt Rogers‘ Prinzipien wider und vertieft sie um die neurobiologische Dimension. Es geht darum, Sicherheit und Verbindung herzustellen, damit die Bedrohungsreaktion, die starre Skripte aufrechterhält und die Amygdala überaktiviert, reduziert wird. Nur in einem solchen Kontext kann die neuronale Plastizität für neues Lernen genutzt werden.
Resilienz: Die Kraft der Schutzfaktoren (nach Emmy Werner)
Die Fähigkeit, psychologische Blockaden zu überwinden und sich anzupassen, auch unter schwierigen Bedingungen, wird als Resilienz bezeichnet. Emmy Werners Längsschnittstudien haben gezeigt, dass bestimmte Schutzfaktoren diese Resilienz fördern und somit Wege aus den Blockaden weisen. Diese Schutzfaktoren ergänzen Rogers‘ Prinzipien um eine entwicklungspsychologische Langzeitperspektive:
- Unterstützende Beziehungen: Das Vorhandensein mindestens einer stabilen, fürsorglichen Beziehung (was direkt an Rogers‘ Prinzipien und das Aktivieren von Bindungssystemen nach Göttl anknüpft) ist ein primärer Schutzfaktor.
- Eine zuverlässige Bezugsperson: Dies bedeutet nicht eine Person, die unhinterfragt alles gutheißt, sondern eine konsistente, vertrauenswürdige Präsenz, die Sicherheit und Halt bietet, aber auch notwendige Herausforderungen ermöglicht.
- Positive Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit: Das Gefühl, Kontrolle über das eigene Leben zu haben und Herausforderungen meistern zu können, stärkt die Widerstandsfähigkeit.
- Eine positive Bewältigungserfahrung: Beispiele hierfür sind die 11.000 Jahre erfolgreiche Koevolution am Amazonas und der über 525 Jahre lange Widerstand der Indigenen gegen die Ausrottung, die zeigen: „Sie glaubten uns zu begraben, und wussten nicht, dass wir Samen waren.“
Resilienz als „Alltägliche Magie“: Die Bedeutung inklusiver Systeme (nach Masten)
Die Resilienzforschung hat sich seit Werner weiterentwickelt, und die Psychologin Ann S. Masten hat mit ihrem Konzept der „Ordinary Magic“ (Alltägliche Magie) eine besonders hoffnungsvolle Perspektive beigetragen. Sie argumentiert, dass Resilienz kein außergewöhnliches, sondern ein gewöhnliches Phänomen ist, das aus der normalen Funktion menschlicher adaptiver Systeme entsteht. Wenn grundlegende Schutzfaktoren wie unterstützende Beziehungen, ein Gefühl der Sicherheit, Problemlösungsfähigkeiten und Gelegenheiten zur Kompetenzerfahrung vorhanden sind, können Individuen auch extreme Widrigkeiten überwinden. Dies bekräftigt die Ansätze von Rogers (sichere Beziehungen) und Rosenberg (Verbindung), die als Katalysatoren für diese „alltägliche Magie“ wirken.
Indem wir diese Schutzfaktoren gezielt stärken und Umgebungen schaffen, die auf Rogers‘ Prinzipien und Rosenbergs GfK basieren, können wir Wege aus psychologischen Blockaden aufzeigen. Es geht darum, das Bedrohungsgefühl zu reduzieren, die wahren Bedürfnisse zu erkennen und neue, flexible Strategien für ihre Erfüllung zu entwickeln. Dies ist der Kern der „Recodierung der Skripte“, die notwendig ist, um kollektive Herausforderungen wie den Klimawandel erfolgreich zu begegnen.
Fazit: Die „Ordinary Magic“ der Inklusion
Die Reise durch die psychologischen Blockaden – von Maslows bedrohten Bedürfnissen über kognitive Verzerrungen und soziale Strukturen bis hin zu Rogers‘ heilenden Beziehungen und Mastens „alltäglicher Magie“ – führt uns zu einer zentralen Erkenntnis: Diese „Ordinary Magic“ – diese alltägliche Fähigkeit zur Resilienz und Transformation – funktioniert nur, wenn man andere nicht ausschließt. Sie entfaltet ihr volles Potenzial nur dann, wenn beispielsweise Jahrtausende altes Wissen der Indigenen und ihre Gemeinschaften aktiv mit aufgenommen werden und ihre Perspektiven und Praktiken als wertvolle Beiträge zur Lösung globaler Herausforderungen anerkannt werden.
Die Kosten des Ausschlusses
Hier zeigt sich die Relevanz von Erving Goffmans Konzept der Stigmatisierung: Wenn bestimmte Gruppen oder Wissensformen ausgeschlossen und abgewertet werden, untergräbt dies nicht nur ihre Würde, sondern verhindert auch das Entfalten der „alltäglichen Magie“ auf kollektiver Ebene. Die wahrhaft transformative Kraft liegt in der Fähigkeit, Mauern abzureißen und die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und adaptiver Systeme zu integrieren, anstatt an starren, exklusiven Strategien und Skripten festzuhalten.
Ein prägnantes historisches Beispiel für diesen selbstschädigenden Ausschluss ist die Ausblendung islamischer, persischer und indischer Wissenschaft im europäischen Mittelalter. Über Jahrhunderte hinweg wurde ein immenser Wissensschatz in Mathematik, Astronomie, Medizin und Philosophie, der in diesen Kulturen florierte, ignoriert oder bewusst abgewertet. Dies verzögerte den Fortschritt in Europa erheblich und zeugt davon, wie sich Gesellschaften durch die Arroganz des Ausschlusses vom Wissen selbst abschneiden.
Der Weg zur inklusiven Transformation
In ähnlicher Weise schließen wir uns auch heute durch die Stigmatisierung und Abwertung von nicht-westlichem Wissen – insbesondere indigenem Wissen – von entscheidenden Erkenntnissen aus. Forschungen wie die von Eduardo Neves Góes oder die Entdeckungen zur Serriana de La Lindosa (wie sie beispielsweise durch die Arbeit von Rostain oder Neves Góes sichtbar wurden) zeigen, dass vermeintlich „primitive“ Kulturen hochkomplexe, nachhaltige und an die Ökosysteme angepasste Lebensweisen und Technologien entwickelt hatten. Indem wir solche „Skripte“ des „ertraglosen Amazonas“ aufrechterhalten und indigenes Wissen stigmatisieren, schließen wir uns von einem unschätzbaren Reservoir an Lösungen für die drängendsten ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit aus.
Die Recodierung unserer Skripte muss daher auch die radikale Inklusion und Wertschätzung all jener Wissensformen umfassen, die wir lange Zeit verdrängt oder als irrelevant abgetan haben. Nur so können wir die psychologischen Blockaden überwinden und die „alltägliche Magie“ menschlicher Resilienz und Kreativität in ihrer vollen Breite entfalten








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