Impulskontrolle bei ADHS im schulischen Kontext
Typische Erscheinungsformen im Unterricht:
- Herausplatzen mit Antworten :
- Antworten geben, ohne aufgerufen zu sein
- Fragen beantworten, bevor sie vollständig gestellt wurden
- Schwierigkeiten, sich zu melden und abzuwarten
- Unterbrechen und Einmischen :
- In Gespräche anderer hineinreden
- Unterbrechung von Erklärungen der Lehrkraft
- Einmischen in Gruppenarbeiten anderer
- Abbrechen von Aufgaben :
- Aufgaben vorschnell für „fertig“ erklären
- Nach kurzer Zeit das Interesse verlieren
- Zur nächsten Aktivität übergehen, bevor die aktuelle abgeschlossen ist
- Unvollständige Hausaufgaben abgeben
- Unterrichtsfremde Gespräche :
- Spontanes Mitteilen von Gedanken ohne Bezug zum Unterricht
- Schwatzen mit Sitznachbarn zu unpassenden Zeiten
- Themenwechsel im Unterrichtsgespräch aufgrund von Assoziationen
- Impulsive Reaktionen auf Frustrationen :
- Aufgaben wütend wegschieben bei Schwierigkeiten
- Plötzliches Ausrasten bei Misserfolgserlebnissen
- Übermäßige emotionale Reaktionen auf Kritik oder Korrektur
- Impulsive Aggressivität :
- Schnelle Eskalation bei Konflikten
- Verbale Ausbrüche ohne angemessene Reflexion
- Körperliche Reaktionen wie Schubsen bei Provokation
- Schwierigkeiten, Streitsituationen verbal zu lösen
- Unüberlegtes Handeln :
- Hantieren mit Gegenständen in unangemessenen Situationen
- Spontanes Aufstehen und Herumlaufen
- Einmischen in Angelegenheiten anderer Schüler
Auswirkungen im schulischen Kontext:
Auf die Lernleistung
- Flüchtigkeitsfehler durch vorschnelles Beantworten
- Unvollständige Arbeiten durch vorzeitiges Abbrechen
- Verpasste Informationen durch Unaufmerksamkeit
Auf die soziale Integration
- Konflikte mit Mitschülern durch impulsives Verhalten
- Ablehnung in Gruppenarbeiten
- Frustration bei anderen Kindern durch ständige Unterbrechungen
Auf die Lehrer-Schüler-Beziehung
- Vermehrte negative Rückmeldungen an das Kind
- Erhöhtes Konfliktpotenzial
- Gefahr der Etikettierung als „Störenfried“
Unterstützungsstrategien für den Schulalltag
Für Lehrer und Schulbegleiter:
Präventive Maßnahmen
- Eindeutige, kurze und klare Regeln aufstellen
- Visuelle Erinnerungen (Signalkarten) für „Melden“, „Warten“ etc.
- Sitznachbarn bewusst wählen (ruhigere Kinder in der Nähe)
- Reizüberflutung vermeiden (Sitzplatz mit wenig Ablenkung)
- Nonverbale Signale mit dem Kind vereinbaren
Bei Herausplatzen mit Antworten
- „Wartesekunden“ einführen und visualisieren
- „Denkzeit“ nach Fragen für alle Kinder einrichten
- System zur Strukturierung von Wortmeldungen nutzen (Sprechstein, Redekarte)
- Gezielte positive Verstärkung bei korrektem Melden
Bei Aufgabenabbrüchen
- Aufgaben in überschaubare Teilschritte gliedern
- Visuelle Checklisten für Arbeitsschritte anbieten
- Kleine Zwischenziele definieren und feiern
- „Erst-Dann“-Prinzip anwenden (erst Aufgabe fertig, dann Belohnung)
- Timer nutzen, um realistische Zeitfenster zu verdeutlichen
Bei unterrichtsfremden Gesprächen
- „Gedankensammler“ anbieten (Notizblock für plötzliche Einfälle)
- Feste „Erzählzeiten“ im Unterricht etablieren
- Nonverbale Erinnerungshilfen verwenden
- Vereinbarte Handzeichen für „nicht jetzt“
Bei impulsiver Aggressivität
- Deeskalationsstrategien einüben
- „Auszeit-Ecke“ für Beruhigung anbieten
- „Ampelsystem“ zur Selbsteinschätzung der Erregung
- Klare Konsequenzen für aggressives Verhalten festlegen
- Alternative Handlungsmöglichkeiten trainieren
- Konfliktlösungsrituale einführen
Instrumente für Schulbegleiter:
- Verhaltensbeobachtung und -dokumentation :
- Systematisches Erfassen von Auslösern impulsiven Verhaltens
- Beobachtungsbogen für spezifische Situationen entwickeln
- Erfolgreiche Interventionsstrategien dokumentieren
- Direkte Intervention :
- Sanfte körperliche Erinnerungen (z.B. Hand auf die Schulter)
- Flüstern von kurzen Erinnerungssätzen
- Unauffällige Signale vereinbaren
- Bei Bedarf aus der Situation herausführen
- „Schattenlernen“ :
- Modellieren von angemessenem Verhalten
- Gemeinsames „lautes Denken“ bei Aufgabenlösungen
- Nachahmung des „inneren Dialogs“ zur Selbststeuerung
Selbstregulationstechniken für Schüler mit ADHS
- Selbstinstruktion :
- Innere Dialoge einüben: „Stopp – Denken – Handeln“
- Selbstgespräche zur Handlungssteuerung trainieren
- Persönliche Erinnerungssätze entwickeln
- Emotionsregulation :
- „Gefühlsthermometer“ zur Selbsteinschätzung
- Techniken zum „Runterkühlen“ bei Erregung
- Progressive Muskelentspannung in vereinfachter Form
- „Schildkrötentechnik“ (zurückziehen, durchatmen, überlegen)
- Körperbasierte Techniken :
- Atemübungen für akute Situationen
- Isometrische Übungen am Platz (Muskeln anspannen und lösen)
- „Geheime“ Bewegungsübungen im Sitzen
Anpassung des Unterrichts
- Struktur und Vorhersehbarkeit :
- Visualisierter Tagesablauf
- Ankündigung von Übergängen und Wechseln
- Klare Zeitbegrenzungen für Aktivitäten
- Rituale für wiederkehrende Situationen
- Lernumgebung :
- Reizreduktion im Arbeitsbereich
- Rückzugsmöglichkeiten bei Überforderung
- Bewegungsmöglichkeiten integrieren
- Alternative Sitzgelegenheiten anbieten
- Differenzierung :
- Aufgaben mit intrinsischer Motivation anbieten
- Wahlmöglichkeiten bei Aufgabenbearbeitung
- Materialien mit hoher Eigenaktivität
- Regelmäßiger Methodenwechsel
Zusammenarbeit im System
- Kommunikation mit Eltern :
- Regelmäßiger Austausch über erfolgreiche Strategien
- Einheitliches Vorgehen absprechen
- Positive Entwicklungen hervorheben
- Teamarbeit im Kollegium :
- Konsistente Reaktionen auf impulsives Verhalten
- Gemeinsame Ziele und Vorgehensweisen festlegen
- Regelmäßige Fallbesprechungen
- Einbeziehung des Kindes :
- Altersgemäße Aufklärung über ADHS
- Gemeinsame Zielvereinbarungen
- Regelmäßige Reflexionsgespräche
- Erfolge würdigen und feiern
Positive Perspektive
Die impulsive Seite von ADHS bringt auch Stärken mit sich:
- Spontaneität und Begeisterungsfähigkeit
- Schnelle Reaktionsfähigkeit
- Kreativität und unkonventionelle Ideen
- Authentizität und Direktheit
Ziel ist nicht, Impulsivität vollständig zu unterdrücken, sondern konstruktive Kanäle zu schaffen und Selbstregulation zu fördern.
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