DSM: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen
DSM: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen
Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM) ist ein von der American Psychiatric Association (APA) herausgegebenes Klassifikationssystem für psychische Störungen. Die aktuelle Version, DSM-5, wurde 2013 veröffentlicht und dient als Standardwerk für die Diagnose psychischer Erkrankungen in vielen Ländern.
In Deutschland wird offiziell die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) der WHO verwendet, jedoch hat das DSM auch hier großen Einfluss auf Forschung und klinische Praxis.
Grundprinzipien des DSM
Kategoriale Diagnostik
Das DSM verwendet ein kategoriales System, das psychische Störungen als abgrenzbare diagnostische Einheiten betrachtet. Für jede Störung sind spezifische diagnostische Kriterien definiert.
Deskriptiver Ansatz
Das DSM beschreibt Symptome und Verhaltensmuster, ohne Annahmen über deren Ursachen zu treffen. Es ist theorieneutral und kann unabhängig vom therapeutischen Ansatz verwendet werden.
Multiaxiale Betrachtung
Frühere DSM-Versionen verwendeten ein multiaxiales System mit fünf Achsen (klinische Störungen, Persönlichkeitsstörungen, medizinische Krankheitsfaktoren, psychosoziale Faktoren, globale Funktionsfähigkeit). Im DSM-5 wurde dieses System zugunsten einer dimensionaleren Betrachtung aufgegeben.
Relevante Diagnosegruppen für die Schulbegleitung
1. Entwicklungsstörungen
- Autismus-Spektrum-Störungen
- Kennzeichen: Schwierigkeiten in sozialer Kommunikation und Interaktion, repetitive Verhaltensweisen, eingeschränkte Interessen
- Relevanz für Schulbegleitung: Strukturierungshilfe, Unterstützung bei sozialer Integration, Umgang mit sensorischer Überempfindlichkeit
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Kennzeichen: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität
- Relevanz für Schulbegleitung: Konzentrationshilfen, Strukturierung von Aufgaben, Unterstützung bei Verhaltensregulation
- Spezifische Lernstörungen
- Kennzeichen: Schwierigkeiten beim Erwerb und Anwenden bestimmter akademischer Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen)
- Relevanz für Schulbegleitung: Individuelle Lernhilfen, alternative Zugangswege zum Lernstoff
2. Emotionale und Verhaltensstörungen
- Angststörungen
- Kennzeichen: Übermäßige Angstreaktionen, vermeidendes Verhalten
- Relevanz für Schulbegleitung: Sicherheit vermitteln, graduelle Exposition, Unterstützung in angstauslösenden Situationen
- Störung des Sozialverhaltens
- Kennzeichen: Regelverletzendes und aggressives Verhalten
- Relevanz für Schulbegleitung: Klare Grenzen setzen, positive Verstärkung, Deeskalation
- Depressive Störungen
- Kennzeichen: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, negatives Selbstbild
- Relevanz für Schulbegleitung: Motivation, emotionale Unterstützung, Achtsamkeit für Warnsignale
3. Komplexe Störungsbilder
- Traumafolgestörungen
- Kennzeichen: Flashbacks, emotionale Überreaktionen, Vermeidungsverhalten
- Relevanz für Schulbegleitung: Sicherheit bieten, Triggerwahrnehmung, traumasensible Begleitung
- Intellektuelle Beeinträchtigung
- Kennzeichen: Einschränkungen in intellektuellen Funktionen und adaptivem Verhalten
- Relevanz für Schulbegleitung: Anpassung von Lernmaterialien, lebenspraktische Unterstützung
Bedeutung des DSM für die Schulbegleitung
Verständnis für Verhaltensweisen und Lernbarrieren
Die im DSM beschriebenen Symptome und Kriterien helfen, das Verhalten und die Schwierigkeiten eines Kindes besser zu verstehen und einzuordnen.
Grenzen der diagnostischen Information
- Eine Diagnose beschreibt nicht das ganze Kind
- Kinder mit derselben Diagnose können sehr unterschiedlich sein
- Diagnosen ersetzen nicht die individuelle Bedarfsermittlung
Funktionsbezogene Perspektive
Neben der reinen Diagnose ist für die Schulbegleitung besonders wichtig, wie die Symptome die Funktionsfähigkeit und Teilhabe des Kindes im Schulalltag beeinflussen.
Verhältnis von DSM und ICF
Während das DSM auf die Diagnose psychischer Störungen fokussiert ist, betrachtet die ICF die Auswirkungen auf Funktionsfähigkeit und Teilhabe:
- DSM: „Was hat das Kind?“ (Diagnose)
- ICF: „Was bedeutet das für den Alltag und die Teilhabe?“ (Funktionsfähigkeit)
Für die Schulbegleitung ist die Kombination beider Perspektiven wertvoll:
- Das DSM liefert Informationen zur Art der Störung
- Die ICF hilft, daraus konkrete Unterstützungsbedarfe abzuleiten
Fazit für Schulbegleiter
Schulbegleiter sollten:
- Grundkenntnisse über relevante DSM-Diagnosen haben
- Verstehen, dass die Diagnose nur ein Baustein zum Verständnis des Kindes ist
- Den individuellen Menschen hinter der Diagnose sehen
- Die Stärken und Ressourcen des Kindes ebenso beachten wie die Herausforderungen
- Diagnosen als Hilfe zum Verständnis, nicht als Etikettierung betrachten
Die eigentliche Arbeit der Schulbegleitung orientiert sich weniger an der Diagnose, sondern vielmehr an den konkreten Bedarfen und Zielen des Kindes im Schulalltag.
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