Essstörungen im Kindes- und Jugendalter: Eine Differenzierung
Essstörungen der frühen Kindheit (F98.8)
1. Fütterstörung im frühen Kindesalter
Symptome:
- Kinder mit Fütterstörung zeigen Schwierigkeiten beim Essen, was zu unzureichender Gewichtszunahme und Wachstumsverzögerungen führt.
- Ablehnung bestimmter Lebensmittel oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme ist charakteristisch.
Ursachen und Risikofaktoren:
- Frühkindliche Erfahrungen, emotionale Störungen oder körperliche Gesundheitsprobleme können zur Entwicklung von Fütterstörungen beitragen.
- Probleme in der Eltern-Kind-Beziehung und familiäre Dynamiken spielen eine Rolle.
Behandlung:
- Multidisziplinäre Ansätze, die Ernährungsberatung, psychologische Interventionen und Elterntraining einschließen.
- Ziel ist die Normalisierung des Essverhaltens und die Förderung einer gesunden Beziehung zum Essen.
2. Pica im Kindesalter
Symptome:
- Kinder mit Pica zeigen unangemessenes Essen von nicht essbaren Substanzen wie Erde, Haaren oder Farbe für einen Zeitraum von mindestens einem Monat.
Ursachen und Risikofaktoren:
- Entwicklungsstörungen, familiäre Belastungen oder Mangelernährung können zur Entwicklung von Pica beitragen.
- Psychosoziale Faktoren wie Vernachlässigung oder traumatische Erfahrungen können eine Rolle spielen.
Behandlung:
- Bei akuten Vorkommnissen: Giftnotruf bzw. Kinderarzt kontaktieren
- Medizinische Intervention zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken durch das Essen nicht essbarer Substanzen.
- Psychologische Therapie zur Identifikation und Bewältigung der zugrunde liegenden Ursachen.
Abgrenzung zu anderen F98.8-Störungen
Die Essstörungen wie Fütterstörung und Pica unterscheiden sich grundlegend von anderen Störungen der Kategorie F98.8 (z.B. Stottern, Poltern, Inkontinenz):
- Fokus auf Ernährung : Während Stottern/Poltern die Sprachentwicklung und Inkontinenz die Ausscheidungsfunktionen betreffen, fokussieren sich Fütterstörung und Pica auf das Essverhalten und die Nahrungsaufnahme.
- Alter bei Auftreten : Fütterstörungen treten typischerweise im frühen Kindesalter auf, während Pica in verschiedenen Altersstufen vorkommen kann.
- Therapieansatz : Die Behandlung von Essstörungen erfordert oft ernährungsspezifische Interventionen, während andere F98.8-Störungen spezifischere therapeutische Ansätze benötigen.
Verbindung zu späteren Essstörungen (F50)
Die frühen Essstörungen stehen in konzeptioneller Beziehung zu den klassischen Essstörungen des Jugend- und Erwachsenenalters, unterscheiden sich aber in wichtigen Aspekten:
3. Anorexia nervosa (F50.0) – nicht Teil von F98.8
Merkmale im Jugendalter:
- Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust durch Nahrungsverweigerung
- Verzerrte Körperwahrnehmung und intensive Angst vor Gewichtszunahme
- Typischerweise Beginn in der Adoleszenz (12-18 Jahre)
- Starke Kontrolle über das Essverhalten bis hin zur Selbstaushungerung
Unterschiede zur frühen Fütterstörung:
- Bewusste Entscheidung zur Nahrungsverweigerung vs. entwicklungsbedingte Schwierigkeiten
- Körperbildstörung als zentrales Element (bei Fütterstörungen nicht vorhanden)
- Altersspezifische Manifestation und psychologische Mechanismen
4. Bulimia nervosa (F50.2) – nicht Teil von F98.8
Merkmale im Jugendalter:
- Wiederholte Essanfälle mit Kontrollverlust
- Kompensatorisches Verhalten wie Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln
- Übermäßige Beschäftigung mit Figur und Gewicht
- Tritt selten vor der Pubertät auf
Unterschiede zu frühen Essstörungen:
- Essanfälle und kompensatorisches Verhalten (in frühen Essstörungen nicht vorhanden)
- Bewusstsein über das problematische Essverhalten
- Komplexere psychologische Motive und Mechanismen
Entwicklungsperspektive und schulische Relevanz
Es besteht kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen frühen Essstörungen (F98.8) und späteren Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie. Dennoch können frühe Probleme im Essverhalten unter bestimmten Umständen die Vulnerabilität für spätere Essstörungen erhöhen.
Für das schulische Umfeld bedeutsam:
- Frühe Essstörungen können zu Entwicklungsverzögerungen und Lernproblemen führen
- Anorexie und Bulimie beeinträchtigen oft schulische Leistungen durch Konzentrationsprobleme und körperliche Schwäche
- Lehrkräfte können eine wichtige Rolle bei der Früherkennung spielen
- Verschiedene Altersgruppen erfordern unterschiedliche Unterstützungsansätze
Empfehlungen für Lehrkräfte:
- Sensibilisierung für Anzeichen von Essstörungen in verschiedenen Altersstufen
- Vermeidung von gewichtsbezogenen Kommentaren und Bewertungen
- Förderung eines positiven Körperbildes und gesunder Ernährungsgewohnheiten
- Bei Verdacht: Kooperation mit Eltern und Fachstellen (unter Wahrung der Vertraulichkeit)
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