Ursachen und Förderung bei Intelligenzminderung
1. Ursachen geistiger Behinderungen
Genetische Faktoren
- Mutationen oder „Neu-Mutationen“: Veränderungen einzelner Gene oder ganzer Chromosomenabschnitte
- Chromosomale Aberrationen: z.B. Trisomie 21 (Down-Syndrom), Fragiles-X-Syndrom
- Genetische Erkrankungen: z.B. Phenylketonurie, Prader-Willi-Syndrom, Angelman-Syndrom
- Wichtig: Die meisten genetischen Ursachen sind nicht „vererbt“ im Sinne elterlicher Verantwortung
Neurologische Faktoren
- Veränderte molekulare Signalübertragung zwischen den Nervenzellen
- Strukturelle Anomalien im Gehirn
- Entwicklungsstörungen des zentralen Nervensystems
Exogene Faktoren
- Pränatale Schädigungen:
- Infektionen während der Schwangerschaft (z.B. Röteln, Toxoplasmose)
- Toxine und Drogen (Alkohol, Nikotin, Medikamente)
- Mangelernährung oder Sauerstoffmangel des Fötus
- Perinatale Schädigungen:
- Sauerstoffmangel während der Geburt
- Geburtstrauma
- Postnatale Schädigungen:
- Infektionen (z.B. Meningitis, Enzephalitis)
- Schädel-Hirn-Traumata
- Toxische Einwirkungen (z.B. Bleivergiftung)
Forschungsstand
- Trotz intensiver Forschung sind die genauen Ursachen bei vielen Formen geistiger Behinderung noch nicht vollständig geklärt
- Neue Methoden der Genomforschung versprechen bessere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten
- Multifaktorielle Ursachen mit Wechselwirkungen zwischen genetischen und Umweltfaktoren werden zunehmend erkannt
2. Fördermöglichkeiten
Therapeutische Ansätze
- Ergotherapie: Förderung der Selbstständigkeit und alltagspraktischen Fähigkeiten
- Logopädie: Unterstützung der kommunikativen Kompetenzen
- Physiotherapie: Förderung der motorischen Entwicklung
- Verhaltenstherapie: Aufbau erwünschter Verhaltensweisen und Abbau problematischen Verhaltens
- Psychotherapie: Unterstützung bei emotionalen und psychischen Belastungen
Bildungsteilhabe und inklusive Pädagogik
- Frühförderung: Frühe interdisziplinäre Unterstützung in den ersten Lebensjahren
- Schulische Bildung:
- Inklusive Beschulung mit individueller Unterstützung (z.B. durch Schulbegleitung)
- Förderschulen mit spezifischen Schwerpunkten
- Erwachsenenbildung: Lebenslanges Lernen durch angepasste Bildungsangebote
Individuelle Förderplanung
- Ressourcenorientierung: Fokussierung auf Stärken und Fähigkeiten statt auf Defizite
- Ganzheitlichkeit: Berücksichtigung aller Entwicklungsbereiche
- Teilhabeorientierung: Förderung der gesellschaftlichen Partizipation
- Individualität: Anpassung der Methoden und Ziele an die persönlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten
3. Besonderheiten bei verschiedenen Bedarfsfällen
Schulbegleitung für Kinder mit geistiger Behinderung
- Aufgaben der Schulbegleitung:
- Unterstützung bei lebenspraktischen Aufgaben
- Hilfe bei der Strukturierung des Schulalltags
- Assistenz beim Lernen
- Soziale Integration fördern
- Qualifikation: Pädagogische Grundkenntnisse und spezifisches Wissen über geistige Behinderungen
Umgang mit Hochbegabung und besonderen Fähigkeiten
- Von Hochbegabung spricht man ab einem IQ von über 130
- Besonderheiten im Kontext von Behinderungen:
- Hochbegabung kann bei Autismusspektrum-Störungen und ADHS auftreten
- Inselbegabungen: Außergewöhnliche Fähigkeiten in einem spezifischen Bereich trotz allgemeiner kognitiver Einschränkungen
- Förderansatz: Stärkenorientierte Unterstützung und Herausforderungen im Bereich der besonderen Begabungen
Ressourcenorientierter Ansatz in der Praxis
- Perspektivwechsel: Fokus auf Potenziale und Fähigkeiten statt auf Defizite
- Empowerment: Förderung von Selbstbestimmung und Eigeninitiative
- Selbstwirksamkeit: Schaffung von Erfolgserlebnissen und positiven Erfahrungen
- Methodische Aspekte:
- Einsatz von Methoden der Unterstützten Kommunikation
- Strukturierung von Lernumgebungen und Aufgaben
- Nutzung von Interessen und Stärken als Ausgangspunkt für Lernprozesse
4. Praxisbeispiele
Fallbeispiel 1: Schüler mit leichter Intelligenzminderung
- 10-jähriger Schüler mit leichter Intelligenzminderung in inklusiver Grundschulklasse
- Stärken: Gute soziale Fähigkeiten, Interesse an Tieren, ausgeprägte feinmotorische Fähigkeiten
- Förderschwerpunkte: Lesen, Schreiben, mathematisches Verständnis
- Unterstützung: Schulbegleitung für 15 Stunden pro Woche, angepasstes Lernmaterial, visuelle Strukturierungshilfen
Fallbeispiel 2: Jugendliche mit mittlerer Intelligenzminderung
- 16-jährige Schülerin mit mittlerer Intelligenzminderung in einer Förderschule
- Stärken: Musikalität, Hilfsbereitschaft, gutes Gedächtnis für Routinen
- Förderschwerpunkte: Kommunikation, lebenspraktische Fähigkeiten, Vorbereitung auf berufliche Teilhabe
- Unterstützung: Strukturierte Tagesabläufe, Unterstützte Kommunikation, praktisches Lernen in realen Alltagssituationen
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