Einfache und Leichte Sprache: Grundlagen, Zielgruppen und Einsatzbereiche
Was ist der Unterschied zwischen Einfacher und Leichter Sprache?
Einfache Sprache
Einfache Sprache ist eine vereinfachte Form der Alltagssprache. Sie verzichtet auf komplizierte Satzstrukturen und Fremdwörter, folgt aber keinem festgelegten Regelwerk. Einfache Sprache ist leichter verständlich als Standardsprache, aber komplexer als Leichte Sprache.
- Merkmale:
- Kurze, klare Sätze
- Wenige Fremdwörter
- Aktive statt passive Formulierungen
- Bekannte Wörter aus dem Alltag
- Übersichtliche Gliederung der Texte
- Keine streng formalisierte Regelung
Leichte Sprache
- Leichte Sprache folgt einem streng definierten Regelwerk und ist durch das „Netzwerk Leichte Sprache“ standardisiert. Sie unterliegt strengeren Regeln als Einfache Sprache und wird häufig durch Prüfgruppen aus der Zielgruppe getestet.
- Merkmale:
- Sehr kurze, einfache Sätze (ein Gedanke pro Satz)
- Vermeidung von Fremd- und Fachwörtern
- Keine Abkürzungen
- Erklärung schwieriger Begriffe
- Verwendung von Bildern zur Unterstützung
- Klare Formatierung: große Schrift, viel Weißraum
- Wörter werden bei Bedarf durch Bindestrich getrennt (z.B. „Bundes-tag“)
- Prüfung durch die Zielgruppe
Zielgruppen
Zielgruppen der Leichten Sprache
Leichte Sprache richtet sich primär an Menschen mit:
- Geistigen Behinderungen
- Lernbehinderungen
- Demenzerkrankungen
- Sehr geringen Deutschkenntnissen
- Funktionalem Analphabetismus (Menschen, die zwar lesen können, aber den Inhalt nicht verstehen)
- Aphasie (Sprachstörung nach Hirnverletzungen)
Zielgruppen der Einfachen Sprache
Einfache Sprache richtet sich an einen breiteren Kreis von Personen:
- Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen
- Menschen mit mittleren bis guten Deutschkenntnissen
- Bildungsferne Personen
- Menschen mit Leseschwäche
- Ältere Menschen
- Alle, die komplexe Sachverhalte schnell erfassen möchten
Einsatzbereiche
Einsatz von Leichter Sprache
Leichte Sprache wird besonders eingesetzt in:
- Behördeninformationen (Formulare, Anträge)
- Gesundheitsinformationen und Patientenaufklärung
- Politische Bildung (Wahlprogramme, Informationen zu Wahlen)
- Museen und kulturellen Einrichtungen (Ausstellungstexte)
- Webseiten öffentlicher Einrichtungen
- Gebrauchsanweisungen für wichtige Geräte
- Informationsmaterialien sozialer Einrichtungen
Einsatz von Einfacher Sprache
Einfache Sprache findet Anwendung in:
- Journalistische Texte
- Fachlicher Kommunikation mit Laien
- Informationsbroschüren
- Bildungsmedien
- Kundeninformationen von Unternehmen
- Wissenschaftskommunikation
- Servicebereichen (Bedienungsanleitungen, FAQs)
Rechtliche Grundlagen
- Der Einsatz von Leichter und Einfacher Sprache wird durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen gefördert:
- UN-Behindertenrechtskonvention: Artikel 9 fordert Barrierefreiheit auch in Bezug auf Information und Kommunikation.
- Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0): Verpflichtet öffentliche Stellen des Bundes, ihre digitalen Angebote auch in Leichter Sprache bereitzustellen.
- Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): Fordert von Behörden, Informationen verständlich zu gestalten und bei Bedarf in Leichter Sprache anzubieten.
Praktische Beispiele
Standardsprache vs. Einfache Sprache vs. Leichte Sprache
Standardsprache: „Die beantragten finanziellen Mittel zur Unterstützung bedürftiger Personen werden nach Prüfung der erforderlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben durch die zuständige Behörde bewilligt.“
Einfache Sprache: „Die Behörde prüft Ihren Antrag auf finanzielle Unterstützung. Wenn Sie alle nötigen Unterlagen eingereicht haben und die gesetzlichen Bedingungen erfüllen, bekommen Sie das Geld.“
Leichte Sprache: „Sie haben Geld beantragt. Die Behörde prüft Ihren Antrag. Sie brauchen dafür Unterlagen. Zum Beispiel:
- Ihren Ausweis
- Ihre Gehalts-Abrechnung Wenn alles stimmt, bekommen Sie das Geld.“
Tipps für die Praxis in der Schulbegleitung
Wann setze ich welche Sprachform ein?
- Individuelle Bedarfe erkennen: Beobachten Sie, welches Sprachniveau vom Schüler/der Schülerin verstanden wird
- Anpassungsfähig bleiben: Flexibel zwischen den Sprachebenen wechseln können
- Leichte Sprache für Schüler/innen mit deutlichen kognitiven Einschränkungen oder sehr geringen Deutschkenntnissen
- Einfache Sprache für Schüler/innen mit leichten Verständnisschwierigkeiten oder mittleren Deutschkenntnissen
Praktische Anwendung im Schulalltag
- Arbeitsanweisungen in verständlicher Form geben
- Unterrichtsinhalte bei Bedarf „übersetzen“
- Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler/in unterstützen
- Schulische Informationen für Eltern mit Sprachbarrieren zugänglich machen
- Soziale Teilhabe durch verbesserte Kommunikation fördern
Ressourcen und Werkzeuge
- Netzwerk Leichte Sprache (Regelwerk und Prüfstelle)
- Hurraki: Wörterbuch für Leichte Sprache (hurraki.de)
- Bundesregierung: Leichte Sprache – Ein Ratgeber
Fazit
Einfache und Leichte Sprache sind wichtige Werkzeuge für Inklusion und Teilhabe. Als Schulbegleiter/in können Sie durch die bewusste Anwendung dieser Sprachformen wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation und zum Verständnis schulischer Inhalte beitragen. Die Wahl zwischen Einfacher und Leichter Sprache sollte sich immer an den individuellen Bedürfnissen der zu begleitenden Person orientieren.
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