Aufmerksamkeit bei ADHS
Verschiedene Aufmerksamkeitsformen bei ADHS
1. Offene Aufmerksamkeit (Ambient Awareness)
- Definition : Breite, umfassende Wahrnehmung der Umgebung ohne spezifischen Fokus
- Bei ADHS: Oft gut ausgeprägt – Betroffene nehmen viele Details in ihrer Umgebung gleichzeitig wahr
- Im Alltag erkennbar durch:
- Bemerken kleiner Veränderungen in der Umgebung, die anderen entgehen
- Schnelles Erfassen der „Stimmung“ eines Raumes oder einer Situation
- Sensibilität für Reize aus der Peripherie des Sichtfeldes
- Gutes „Gespür“ für soziale Dynamiken und Gruppenprozesse
- Stärken : Schnelle Reaktionsfähigkeit, „Radar“ für Ungewöhnliches, kreative Impulse durch vielfältige Wahrnehmung
2. Fokussierte Aufmerksamkeit
- Definition : Gezielte Konzentration auf eine spezifische Aufgabe oder einen Reiz
- Bei ADHS : Typischerweise beeinträchtigt, wenn die Aufgabe nicht intrinsisch motivierend ist
- Im Alltag erkennbar durch :
- Schwierigkeiten, bei vorgegebenen Aufgaben „dranzubleiben“
- Leichte Ablenkbarkeit durch externe Reize
- Probleme beim Zuhören in Gesprächen oder Unterricht
- Schwierigkeiten, Anweisungen vollständig zu erfassen
- Übersehen von Details bei routinemäßigen Aufgaben
- Besonderheit Hyperfokus: Extrem intensive Konzentration bei hohem Interesse
- Völliges Aufgehen in einer faszinierenden Tätigkeit
- Ausblenden aller Umgebungsreize
- Vergessen von Zeit und anderen Verpflichtungen
- Kann mehrere Stunden anhalten
3. Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit (Tagträumen)
- Definition : Geistige Aktivität, die sich auf innere Gedanken, Fantasien oder Ideen richtet
- Bei ADHS: Häufig stark ausgeprägt – „Mind-Wandering“ tritt vermehrt auf
- Im Alltag erkennbar durch:
- „In Gedanken versunken sein“
- Abschalten bei monotonen Tätigkeiten
- Gedankensprünge und Assoziationsketten
- Kreative Ideenfindung
- Nicht ansprechbar wirken, obwohl innerlich aktiv
- Stärken : Kreativität, Problemlösefähigkeit, Perspektivwechsel, innovative Ideen
Inkubationszeit als besondere Qualität der nach innen gerichteten Aufmerksamkeit
- Definition : Phase des unbewussten Verarbeitens, in der das Gehirn ohne bewusste Anstrengung an Problemen arbeitet
- Bei ADHS : Kann besonders produktiv sein durch die verstärkte Fähigkeit zum Mind-Wandering
- Prozess:
- Information oder Problem wird aufgenommen (bewusste Phase)
- Scheinbar unproduktive „Auszeit“ folgt (unbewusste Verarbeitung)
- Plötzliche Einsicht oder Lösung taucht später auf („Aha-Erlebnis“)
- Nutzen für kreative Prozesse:
- Ermöglicht ungewöhnliche Verknüpfungen zwischen Ideen
- Überwindet festgefahrene Denkmuster
- Fördert innovative Lösungsansätze
- Im ADHS-Kontext:
- Was oft als „Träumerei“ oder „Ablenkung“ erscheint, kann produktiver Teil des Denkprozesses sein
- Tagträumen kann als wertvolle Inkubationszeit für komplexe Probleme genutzt werden
- Erklärt, warum manche ADHS-Betroffene nach scheinbar unproduktiven Phasen plötzlich brillante Ideen haben
Aufmerksamkeitswechsel bei ADHS
- Definition : Fähigkeit, den Fokus bewusst von einer Aufgabe auf eine andere zu verlagern
- Bei ADHS : Oft asymmetrisch – Schwierigkeiten beim Wechsel vom Hyperfokus oder Tagtraum zur vorgegebenen Aufgabe
- Herausforderungen:
- „Hängenbleiben“ in interessanten Tätigkeiten
- Probleme beim Wiederaufnehmen unterbrochener Aktivitäten
- Übermäßig häufiges Wechseln zwischen verschiedenen Tätigkeiten ohne Abschluss
Neurobiologische Grundlagen
- Veränderte Funktion des präfrontalen Kortex (Aufmerksamkeitssteuerung)
- Abweichende Aktivierung in den Aufmerksamkeitsnetzwerken des Gehirns:
- Dorsales Aufmerksamkeitsnetzwerk (fokussierte Aufmerksamkeit)
- Ventrales Aufmerksamkeitsnetzwerk (Orientierungsreaktion)
- Default Mode Network (Tagträumen, nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, Inkubation)
- Ungleichgewicht zwischen aktivierenden und hemmenden Neurotransmittern (Dopamin, Noradrenalin)
Unterstützungsstrategien
Für fokussierte Aufmerksamkeit:
- Strukturierte, reizarme Arbeitsumgebung schaffen
- Kurze Arbeitseinheiten mit klaren Zielen definieren
- Visuelle Timer zur Verdeutlichung der Arbeitszeit nutzen
- Multisensorisches Lernen ermöglichen
- Bewegungspausen einplanen
Bei Tagträumen, Inkubation und offener Aufmerksamkeit:
- Kreative Phasen bewusst einplanen und nutzen
- Gedanken aufschreiben oder aufzeichnen
- Mind-Mapping-Techniken zur Strukturierung verwenden
- Übergangsrituale vom Tagtraum zur fokussierten Arbeit etablieren
- Gezielte Inkubationszeiten einbauen:
- Nach intensiver Beschäftigung mit einem Problem bewusst „Pausen“ nehmen
- Tagträumen als Teil des Problemlöseprozesses wertschätzen
- Spazierengehen oder entspannende Tätigkeiten für Inkubationsphasen nutzen
Für Aufmerksamkeitswechsel:
- Sanfte Übergänge mit Ankündigung gestalten
- „Parkplätze“ für Ideen einrichten, um später darauf zurückzukommen
- Wenn-Dann-Pläne für Ablenkungsmomente entwickeln
- Techniken zur Selbstinstruktion trainieren
Positive Perspektive
Die verschiedenen Aufmerksamkeitsformen bei ADHS können als unterschiedliche Modi des Denkens und Wahrnehmens verstanden werden, die jeweils eigene Stärken mit sich bringen:
- Offene Aufmerksamkeit: Ermöglicht kreative Verknüpfungen und das Erfassen des „großen Ganzen“
- Hyperfokus: Führt zu tiefem Eintauchen und Expertise in Interessensgebieten
- Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit und Inkubation: Fördert Kreativität, ungewöhnliche Ideenverbindungen und innovative Problemlösung
Ziel ist nicht, diese Aufmerksamkeitsformen zu unterdrücken, sondern zu lernen, bewusster zwischen ihnen zu wechseln und sie situationsangemessen einzusetzen.
@Klaus Meine Aufmerksamkeit hast du direkt beim Fetten Text verloren ;(
Danke, dir, https://social.grautier.eu/@sandfrog. Das liegt aber nicht an der Seite, das Excerpt wird auf der Seite selbst korrekt dargestellt. Du hast ja auch deine Seite als Fediverse-Instanz. Weißt du an was das liegt? Ansonsten müsste ich mal Mathias Pfefferle ansprechen, von dem das Plugin ist